Stellungnahme der Gemeinsamen Diagnostikkommission der DVV und GfV zur Bestimmung von anti-Masern-IgG aus getrockneten Blutstropfen auf Filterpapierkarten

18/01/2024

STIKO-Empfehlung zur Masernimpfung:

Um einen ausreichenden Schutz gegen Masern sicherzustellen, empfiehlt die STIKO bei unbekanntem Impfstatus die Durchführung der in der entsprechenden STIKO-Empfehlung aufgeführten Impfungen [1]. Sind zwei Impfungen gegen Masern dokumentiert, kann mit sehr großer Wahrscheinlichkeit von einem ausreichenden Schutz gegen Masern ausgegangen werden. Eine serologische Antikörperkontrolle der Immunität ist in diesem Fall nicht erforderlich.

Hintergrundinformation zur zweifachen MMR-Impfung

Die zweifache Impfung mit einem MMR-Kombinationsimpfstoff folgt den Impfempfehlungen der WHO, unterstützt das Eliminationsziel der WHO für Masern und Röteln, verbessert den Infektionsschutz in Gemeinschaftseinrichtungen und medizinischen Einrichtungen und vereinfacht die individuelle Immunitätsfeststellung, da bei zwei dokumentierten MMR-Impfungen Immunität angenommen werden kann. Dies betrifft z.B. Personen vor Aufnahme einer Tätigkeit in medizinischen Einrichtungen, Schüleraustausche oder Studienaufenthalte im Ausland sowie Aspekte des Infektionsschutzes bei Feststellen einer Schwangerschaft. Auch wird der mit der ersten Impfung angelegte Schutz für Mumps deutlich verbessert.

Vorgaben des Masernschutzgesetzes:

Das Masernschutzgesetz verlangt für einen bestimmten Personenkreis den Nachweis über eine Masernimmunität, der entweder über zwei im Impfpass dokumentierte MMR-Impfungen oder einen positiven anti-Masern-IgG-Nachweis erbracht werden kann.
Fällt nach einer verabreichten Dosis des MMR-Impfstoffs die Bestimmung von anti-Masern-IgG positiv aus, kann dies als Nachweis der Immunität herangezogen werden; eine zweite Impfung muss in diesem Fall nicht zwingend erfolgen. Dieses Vorgehen entspricht indessen nicht der zitierten STIKO-Empfehlung und wird auch von der Gemeinsamen Diagnostikkommission der DVV und GfV aus den o.g. Gründen in fachlich-diagnostischer Hinsicht nicht befürwortet.

Nachweis von anti-Masern-IgG in Serum bzw. aus getrockneten Blutstropfen (dried blood spots, DBS) auf Filterpapierkarten (FPK)

Ablauf:

Die Gewinnung einer Serumprobe erfolgt meist über eine Punktion der Vena brachialis in der Armbeuge. Als minimal-invasive Alternative kann zur Bestimmung von anti-Masern-IgG Kapillarblut aus der Fingerbeere abgenommen werden. Das Blut wird auf eine FPK getropft. Die FPK wird nach Beladung getrocknet und in ein Labor eingesendet. Dort werden mit Blut beladene Bereiche aus der Karte gestanzt und in einem Puffer eluiert. Der anti-Masern-IgG Status wird aus dem Eluat bestimmt. Das Ergebnis wird vom Labor an die Arztpraxis übermittelt. Die betreuende Ärztin bzw. der betreuende Arzt stellen eine den Vorgaben des Masernschutzgesetzes entsprechende Bescheinigung aus, falls ein positives Ergebnis vorliegt, d.h. anti-Masern-IgG Antikörper nachgewiesen wurden.

Die Frage, ob diese Immunitätsbestimmungen aus DBS auf FPK anzuerkennen sind, wurde wiederholt gestellt. Wir beziehen uns dabei auf folgende Punkte:

Eignung von DBS auf FPK:

Die Nutzung von FPK und die Vergleichbarkeit / Korrelation der mit Serum bzw. DBS gewonnenen Ergebnisse wurden in Bezug auf andere Parameter der Infektionsserologie (z.B. HIV- und HCV-Antikörper) schon vielfach beschrieben [2]. Eine Literatursuche über Pubmed (https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/?term=dried+blood+spot+testing+infectious&sort=date) ergab bei Verwendung der Stichworte „Dried blood spot testing infectious“ über 200 Treffer. Auch international wird der Einsatz von DBS auf FPK z.B. von der WHO für die Bestimmung von anti-Masern-IgM jedenfalls für solche Länder empfohlen, in denen die Kühlkette beim Transport von Untersuchungsmaterialien nicht sicher eingehalten werden kann [3].

Eignung des eingesetzten Testverfahrens:

Wenn die Verwendung von DBS auf FPK für den anti-Masern-IgG Test in der entsprechenden Beschreibung des Testherstellers als validierte Matrix aufgeführt ist, handelt es sich um eine IVDR-konforme Anwendung (IVDR – Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika vom 5. April 2017). Ist dies nicht der Fall, ist davon auszugehen, dass es sich um eine nicht konformitätsbewertete Anwendung handelt, die außerhalb der vom Hersteller vorgesehenen Zweckbestimmung liegt. Durch diese wesentliche Änderung der Matrix verliert der diagnostische Test seine CE-Kennzeichnung. Gleichzeitig handelt es sich damit um eine „Eigenherstellung eines In-vitro-Diagnostikums (IVD)“. Unter dem sogenannten „In-Haus-Privileg“ kann ein solches IVD nur dann medizinprodukterechtlich-konform zur Anwendung gebracht werden, wenn die Vorgaben der Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) vom Labor – als verantwortlicher Betreiber – erfüllt werden. Für die Eigenherstellung ist u.a. Artikel 5 (5) IVDR anwendbar.

Demzufolge muss ein Labor, das zur Bestimmung von anti-Masern-IgG einen Test anwendet, der in der Testbeschreibung des Herstellers nicht für den Einsatz eines Eluats aus DBS auf FPK als Matrix ausgewiesen ist, eine entsprechende Validierung durchführen. Dabei werden ausgehend von denselben Untersuchungsproben die Ergebnisse einer anti-Masern-IgG Bestimmung aus Serum bzw. aus dem Eluat von DBS auf FPK verglichen. In den entsprechenden Validierungsunterlagen muss für beide Matrices die qualitative und quantitative Korrelation der Ergebnisse nachgewiesen sein.

Qualitätsmanagement des Labors: Ein Labor, das einen Test zur Bestimmung von anti-Masern-IgG aus dem Eluat aus DBS auf FPK durchführt, muss – wie alle Labore, die laboratordiagnostische Untersuchungen in der Humanmedizin durchführen – nach den Vorgaben der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen (RiLiBÄK) arbeiten, d.h. es müssen interne Qualitätskontrollen mitgeführt und es muss an externen Qualitätskontrollen (z.B. Ringversuchen) teilgenommen werden.

Abnahmeverfahren (Präanalytik): Zu einem fachlich fundiertem Testergebnis trägt nicht nur ein für die entsprechende Matrix validierter Test bei, vielmehr hat auch die Probengewinnung und die Präanalytik einen maßgeblichen Einfluss auf das Testergebnis. Daher muss sichergestellt sein, dass die Probenabnahme unter fachlich qualifizierter Aufsicht bzw. durch medizinische Fachkräfte erfolgt.

Fazit:
Die Gemeinsame Diagnostik-Kommission der DVV und GfV kommt zu dem Schluss, dass eine Bestimmung von anti-Masern-IgG aus dem Eluat von getrockneten Blutstropfen auf einer Filterpapierkarte (DBS auf FPK) einer anti-Masern-IgG Untersuchung aus Serum bei anschließender Analyse in einem geeigneten Testsystem äquivalent sein kann.

Es ist sicherzustellen, dass (i) nach den Vorgaben der Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR) die entsprechenden Ergebnisse einer Validierungsstudie für das verwendete Testsystem vorliegen und (ii) die Abnahme der Proben und der Versand der Filterkarte von einer Arztpraxis durchgeführt und /oder beaufsichtigt wird.

Es ist zu beachten, dass mit dem Nachweis von IgG-Antikörpern gegen das Masernvirus nach einmaliger Impfung nicht gleichzeitig der Nachweis einer erfolgreichen Immunisierung gegen Mumps oder Röteln geführt ist (etwa nach Anwendung eines MMR-Impfstoffes).

Diese Auskunft beschränkt sich auf fachliche und diagnostische Aspekte und berührt rechtliche Aspekte des IfSG/MasernschutzG nicht.

Stand: 16.01.2024

Vertreter*in:
PD Dr. Nadine Lübke
Prof. Dr. Annette Mankertz
Prof. Dr. Marcus Panning
Prof. Dr. Holger Rabenau
Prof. Dr. Heinz Zeichhardt

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Referenzen

[1] Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Masernimpfung als MMR-Kombinationsimpfung mit insgesamt zwei Impfstoffdosen für alle Kinder. Die erste MMR-Impfung soll im Alter von 11-14 Monaten erfolgen. Die zweite Impfung soll frühestens 4 Wochen nach der ersten Impfung im Alter von 15-23 Monaten durchgeführt werden.

Erwachsenen wird eine einmalige MMR-Impfung als Standardimpfung empfohlen, wenn sie nach 1970 geboren sind und ihr Impfstatus unklar ist oder sie in der Kindheit keine oder nur eine Impfung erhalten haben. Eine zweimalige Masern-Impfung wird von der STIKO auch für nach 1970 geborene Personen in besonderen beruflichen Tätigkeitsbereichen empfohlen. Hierzu zählt das Personal in medizinischen Einrichtungen, Einrichtungen der Pflege, Gemeinschaftseinrichtungen sowie in Fach-, Berufs- und Hochschulen.

[2] Reinhardt B, Taylor R, Dawkins C, Banks T, Watson N, Sundaram A, Ewing D, Danko JR. The use of dried blood spot cards to assess serologic responses of individuals vaccinated against measles, hepatitis A, tetanus, influenza and varicella zoster. PLoS One. 2022 Mar 24;17(3):e0265813. doi: 10.1371/journal.pone.0265813. PMID: 35324972; PMCID: PMC8947131.

[3] https://cdn.who.int/media/docs/default-source/immunization/vpd_surveillance/lab_networks/measles_rubella/manual/updated-annexes-(as-on-2-aug-2021)/annex-a4-dbs-protocols-v1-7_jan_2020_jr002df531-4890-467f-82be-0827e6db8f81.pdf?sfvrsn=4c6c8662_9″