Stellungnahme der GfV zur zentralen und exklusiven Beschaffung des COVID-19-Impfstoffes von Pfizer/BioNTech durch die Bundesregierung von 2024 bis 2026
07/12/2023
Aufgrund der zentralen und exklusiven Beschaffung des mRNA-Impfstoffs der Firma Pfizer/BioNTech durch die Bundesregierung von 2024 bis Ende 2026 können andere Impfstoffe ab der Impfsaison 2024/25 nicht mehr ohne Sorge vor Regressen verimpft werden, obwohl sie von der STIKO als gleichwertig empfohlen sind. Dies erklärt sich durch das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß §12 SGB V. Somit entfällt in der Praxis die freie Wahl beim Impfstoff. Wir sehen dies als äußerst bedenklich an, sowohl mit Blick auf die Wahl- und Therapiefreiheit als auch mit Blick auf den Wissenschaftsstandort Deutschland.
Die Verfügbarkeit verschiedener Impfstoffe und -plattformen ist seit Beginn der Pandemie stets ein wichtiger Baustein der COVID-19-Strategie gewesen. Dass ab der Impfsaison 2024/25 in der Praxis faktisch nunmehr nur ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird, sorgt für Unverständnis, sowohl bei Selbsthilfegruppen der Patientinnen und Patienten als auch bei Ärztinnen und Ärzten. Patientinnen und Patienten, welche die letzte mRNA-Impfung nicht gut vertragen haben, wird ab diesem Zeitpunkt keine Alternative mehr geboten. Für Ärztinnen und Ärzte wird eine individuelle Impfberatung mit Blick auf Vorerkrankungen und Allergien – bei einer PEG-Allergie etwa kommt ein mRNA-Impfstoff nicht in Frage – nicht mehr möglich sein. Dies macht es schwerer, Risikopatientinnen und -patienten, von der Notwendigkeit einer Impfung zu überzeugen. Negative Auswirkungen auf die in Deutschland ohnehin vergleichsweise geringe Impfquote sind zu befürchten: Gemäß einer aktuellen Umfrage wollen lediglich 46% der Hauptzielgruppe der über 60-Jährigen ihren Impfschutz gegen COVID-19 auffrischen. Um höhere Impfquoten erzielen zu können, braucht es eine möglichst große Auswahl an Impfstoffen und -plattformen.
Auch aus Sicht der Forschung ist die exklusive Beschaffung eines Impfstoffes durch die Bundesregierung bedenklich, denn sie bedeutet, dass hier ab der Impfsaison 2024/25 nur noch Pfizer/Biontech-basierte Real World Daten erhoben werden können. So können keine vergleichenden Studien mehr durchgeführt werden, was u.a. zur Folge hat, dass es in Deutschland nicht mehr möglich sein wird, neue Erkenntnisse über heterologes Impfen zu gewinnen. Gerade in diesem Bereich hat die deutsche Forschung in den letzten Jahren entscheidend zum Weltwissen beigetragen.
Die Entscheidung der Bundesregierung bedeutet weiter, dass man sich hier in Deutschland der Möglichkeit beraubt, mehr über Nebenwirkungen, speziell schwere Nebenwirkungen, der einzelnen Impfstoffe zu erfahren. Bei den mRNA-Vakzinen haben wir gesehen, dass schwere Nebenwirkungen, etwa im kardiologischen Bereich, zwar sehr selten auftreten, aber ernst zu nehmen sind. Bedenklich ist für uns daher, dass man in Deutschland ab der Impfsaison 2024/25 keine vergleichenden Nebenwirkungsdaten mehr wird erheben können. Solche Daten würden zeigen, ob andere COVID-19-Impfstoffe wie proteinbasierte Vakzine, die bereits seit vielen Jahren gegen verschiedene andere Viren (Influenza, Hepatitis B oder HPV) eingesetzt werden und hier ein günstiges Sicherheitsprofil aufweisen, weniger schwere Nebenwirkungen aufweisen. Das ist auch für Patientinnen und Patienten, die solche Nebenwirkungen bereits erlebt haben, kein gutes Signal.
Der Verlust zahlreicher Möglichkeiten zur Generierung vergleichender Daten bedeutet auch, dass in Deutschland keine Studien, die Wirksamkeits- und Immunogenitätsdaten anderer Impfstoffe gegenüber neuen Varianten aufzeigen, durchgeführt werden können. Damit einhergehend sind auch Forschungsprojekte in diesem Bereich, sofern sie von solchen Daten und Studien abhängen, in Gefahr. Auf diese Weise entsteht im Bereich der Impfstoffforschung ein Klima, das nicht innovationsfördernd ist, und Deutschland verliert für andere Hersteller Attraktivität. Dies gilt nicht nur für die Entwicklung zukünftiger variantenadaptierter Impfstoffe, sondern potentiell auch für innovative Forschungsbereiche wie Kombinationsimpfstoffe (Influenza plus COVID-19).
Das Bemühen der Bundesregierung, ausreichend Impfstoff für die Bevölkerung zur Verfügung zu stellen, ist positiv hervorzuheben. Aus den genannten Gründen fordern wir die Regierung nun auf, in diesem Bemühen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass neben Pfizer/BioNTech auch die übrigen von der STIKO empfohlenen COVID-19-Impfstoffe – d.h. nach heutigem Stand die angepassten Impfstoffe von Moderna und Novavax – in ausreichender Menge zur Verfügung stehen und auch ab der Impfsaison 2024/25 ohne Sorge vor Regressen verabreicht werden können. Es geht um Wahlfreiheit, es geht um Therapiefreiheit, und es geht um Vielfalt, die für Forschung und Wissenschaft unerlässlich ist.
Der Vorstand und die Kommission „Immunisierung“ der Gesellschaft für Virologie e.V.