Zweite Stellungnahme der gemeinsamen Diagnostikkommission der DVV und der GfV zum Apothekenreformgesetz (ApoRG)

07/11/2025

Zweite Stellungnahme der gemeinsamen Diagnostikkommission der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV) zum Apothekenreformgesetz (ApoRG)

Hintergrund: Am 25. Juni 2024 hatte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu einer mündlichen Anhörung des Referentenentwurfes des Apothekenreformgesetzes (ApoRG) eingeladen. Die GfV hat am hierzu am 27.06.2024 zeitgleich mit anderen beteiligten Verbänden bereits eine Stellungnahme abgegeben. Übergeordnetes Ziel ist eine ärztlich verantwortete, qualitätsgesicherte und evidenzbasierte Diagnostik. Diese Voraussetzungen werden im aktuellen Entwurf nicht erfüllt.

Kürzlich hat Bundesgesundheitsministerin Warken die geplante Apothekenreform vorgestellt. Aus Sicht der gemeinsamen Diagnostikkommission der GfV und DVV bestehen weiterhin erhebliche Bedenken, die u.a. die folgenden Punkte betreffen.

1. Medizinische Indikationsstellung und Befundbewertung

Die diagnostische Testung auf Infektionserreger ist kein rein technischer Vorgang, sondern erfordert eine ärztlich-medizinische Indikationsstellung, Befundinterpretation und Ableitung therapeutischer Konsequenzen. Eine Übertragung dieser Aufgaben auf Apotheken wäre nur auf Grundlage verbindlicher Zusatzqualifikationen, klarer Qualitätsstandards und definierter ärztlicher Schnittstellen denkbar. Entsprechende Regelungen enthält der aktuelle Referentenentwurf jedoch nicht. Damit sind zentrale Anforderungen an eine zielgerichtete, qualitätsgesicherte und ökonomische Diagnostik derzeit nicht erfüllt. Auch ist nicht davon auszugehen, dass eine weitere Fragmentierung der Diagnostik mit unklaren Schnittstellen zu einer Verbesserung der Patientenversorgung führt. Dies birgt das Risiko unvollständiger oder fehlgeleiteter Diagnostik und damit verzögerter Therapieentscheidungen.

2. Regulatorische Qualitätsanforderungen und Infektionsschutz

Für die Durchführung virologisch-mikrobiologischer Diagnostik gelten verbindliche gesetzliche Vorgaben, darunter u. a.:

  • Richtlinie der Bundesärztekammer (RiliBÄK) – externe und interne Qualitäts-sicherung, Ringversuche
  • EU-In-vitro-Diagnostika-Verordnung (IVDR) – Anforderungen an Auswahl, Validierung und Leistungsbewertung von Testsystemen
  • Biostoffverordnung (BioStoffV) & TRBA 100/250 Arbeitsschutz, Hygienekonzepte, Entsorgung infektiöser Proben
  • Infektionsschutzgesetz (IfSG) – Meldepflichten, Befundübermittlung an Gesundheitsämter

Diese Regelwerke dienen sowohl der Patientensicherheit als auch dem Schutz der im Gesundheitswesen Beschäftigten. Eine Umsetzung dieser Vorgaben erfordert qualitätsgesicherte Diagnostikstrukturen, geschultes Personal, geeignete Räumlichkeiten und standardisierte Meldeprozesse. Solche qualitätsgesicherten Strukturen sind in Apotheken nach aktuellem Stand weder vorgesehen noch operationalisiert.

3. Technische und diagnostische Limitationen

Der Entwurf beschränkt sich auf den Einsatz von Antigen-Schnelltests. Diese Tests besitzen eine begrenzte diagnostische Aussagekraft und erfordern bei unklaren Ergebnissen eine weiterführende Bestätigungsdiagnostik, die in Apothekenstrukturen nicht vorgesehen ist. Dadurch entstehen potenzielle Versorgungslücken und Verzögerungen im diagnostischen Ablauf.

Zusammenfassend ergeben sich aus Sicht der gemeinsamen Diagnostikkommission insbesondere folgende Problemfelder:

  • Patientensicherheit: Diagnostische Testung ohne ärztliche Indikationsstellung und Befundbewertung birgt das Risiko fehlerhafter oder verzögerter Therapieentscheidungen.
  • Infektionsschutz: Die in der Labordiagnostik gesetzlich vorgeschriebenen Qualitäts-, Hygiene- und Meldeanforderungen sind in Apothekenstrukturen derzeit weder vorgesehen noch umsetzbar.
  • Versorgungsqualität: Der Entwurf führt zu zusätzlichen diagnostischen Schnittstellen ohne definierte Anbindung an ärztliche Behandlungspfade, den Öffentlichen Gesundheitsdienst und fachärztlicher Bestätigungsdiagnostik und trägt damit zur weiteren Fragmentierung der Versorgung bei.

Die gemeinsame Diagnostikkommission erkennt den grundsätzlichen Nutzen niedrigschwelliger diagnostischer Angebote an. Diese können jedoch nur dann einen Beitrag zur Versorgung leisten, wenn sie in ein ärztlich verantwortetes, qualitätsgesichertes und infektionsschutzkonformes Gesamtkonzept eingebettet sind.

Die gemeinsame Diagnostikkommission fordert das BMG daher erneut auf, den Referentenentwurf entsprechend zu überarbeiten, so dass diagnostische Leistungen nur im Rahmen ärztlich verantworteter, qualitätsgesicherter und infektionsschutzkonformer Strukturen erfolgen. Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, besteht das Risiko einer Gefährdung der Patientensicherheit, unzureichender Infektionsschutzmaßnahmen, unklarer Folgekosten und einer weiteren Fragmentierung der diagnostischen Versorgung.

Für die gemeinsame Diagnostikkommission am 7. November 2025,

PD Dr. Nadine Lübke & Prof. Dr. Marcus Panning, Düsseldorf und Freiburg

Klicken Sie hier, um die Stellungnahme der gemeinsamen Diagnostikkommission der Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und der Gesellschaft für Virologie (GfV) zum geplanten Apothekenreformgesetz (ApoRG) vom 27.06.2024 zu lesen.